Dieses Kapitel enthält triggernden Inhalt. Wer sensibel auf das Thema Selbstverletzung reagiert, sollte nicht weiterlesen!
Es
war Samstag. Heute Abend sollte die Party stattfinden und ich war
aufgeregt wie sonst was. Ich hatte Mira darüber in Kenntnis gesetzt und
hatte sie fragen wollen, ob sie mitkam. Aber sie war bereits
ausgeflippt, als ich ihr die Einladung gezeigt hatte. Ich verstand sie
irgendwie, aber andererseits wollte ich Kristin und ihren Leuten eine
Chance geben. Es konnte ja auch sein, dass es ihnen wirklich leid tat.
Immerhin waren sie auch nur Menschen. Und ich glaubte an das Gute in
ihnen. So wie ich es schon immer getan hatte.
Jedenfalls stand ich jetzt ziemlich ratlos vor dem Schrank in unserem Zimmer und starrte die kleine Auswahl an Klamotten an. Das war alles so Party untauglich, was auch daran lag, dass ich noch nie gern feiern war. Aber wenn dies meine Chance sein sollte, mich einzufügen, wollte ich sie nicht vorüberziehen lassen. Schließlich griff ich zu einem schwarzen, knielangen Rock und lieh mir von Mira ein langärmliges Top, das dazu passte. Während ich mich fertig machte, hatte ich ständig den skeptischen Blick meiner Mitbewohnerin im Nacken. Manchmal war ich knapp davor, sie zur Schnecke zu machen. Ich war schon nervös genug und sie ging mir zusätzlich auf die Nerven. Nachdem ich mich eine halbe Stunde mit dem Lockenstab gequält hatte, warf ich ihn frustriert aufs Bett. Meine Haare sahen einfach nur mies aus. Normalerweise war es mir ja egal. Aber nicht, wenn ich einen guten Eindruck machen wollte. Also wusch ich sie nochmal und föhnte sie dann einfach aus. Dünne Haare, wie Federn waren einfach bescheiden zum Stylen.
Jedenfalls stand ich jetzt ziemlich ratlos vor dem Schrank in unserem Zimmer und starrte die kleine Auswahl an Klamotten an. Das war alles so Party untauglich, was auch daran lag, dass ich noch nie gern feiern war. Aber wenn dies meine Chance sein sollte, mich einzufügen, wollte ich sie nicht vorüberziehen lassen. Schließlich griff ich zu einem schwarzen, knielangen Rock und lieh mir von Mira ein langärmliges Top, das dazu passte. Während ich mich fertig machte, hatte ich ständig den skeptischen Blick meiner Mitbewohnerin im Nacken. Manchmal war ich knapp davor, sie zur Schnecke zu machen. Ich war schon nervös genug und sie ging mir zusätzlich auf die Nerven. Nachdem ich mich eine halbe Stunde mit dem Lockenstab gequält hatte, warf ich ihn frustriert aufs Bett. Meine Haare sahen einfach nur mies aus. Normalerweise war es mir ja egal. Aber nicht, wenn ich einen guten Eindruck machen wollte. Also wusch ich sie nochmal und föhnte sie dann einfach aus. Dünne Haare, wie Federn waren einfach bescheiden zum Stylen.
“Mein
Gott, Freya. Denkst du nicht, du übertreibst das alles ein bisschen? Es
ist nur eine Party. Noch dazu mit Menschen, die du eigentlich doch gar
nicht magst”, versuchte Mira schließlich noch einmal, mich zur Vernunft
zu bringen. Stur wie ich war, wollte ich das nicht hören.
“Lass
mich doch einfach”, entgegnete ich also etwas zickig und warf ihr einen
vernichtenden Blick zu. Abwehrend hob sie die Hände und schmiss sich
aufs Bett, ihre Miene sagte deutlich: Du wirst schon sehen, was du davon
hast. Hätte ich nur auf sie gehört.
Eine
Stunde später war es soweit. Mir war vor Aufregung richtig schlecht,
als ich in den Aufenthaltsraum runter ging. Eigentlich herrschte auf dem
ganzen Gelände Zigaretten- und Alkoholverbot. Aber spätestens um 21 Uhr
waren alle Lehrer zuhause und der Aufsichtsmensch war laut Danielle
fast stocktaub. Noch heute stelle ich mir die Frage, warum der Lehrerrat
eine fast taube Person als Aufsicht einstellt. Auf halben Weg kam mir
Danielle entgegen. Sie sah umwerfend aus. Neben ihr kam ich mir vor, als
würde ich einen Kartoffelsack tragen, aber das Gefühl hatte ich in
Gegenwart anderer Leute ohnehin fast immer.
“Hey,
Freya”, begrüßte sie mich mit einem Lächeln und hakte sich bei mir
unter. Sofort fühlte ich mich etwas ruhiger. Alles war wie immer, alles
würde gut werden.
“Hey,
Dani. Du siehst super aus”, verkniff ich mir nicht ihr zu sagen, “ich
meine, das tust du immer, aber jetzt eben ganz besonders.” Ich hörte
mich an wie eine verdammte Schleimerin, aber sie sah wirklich super aus.
Danielle
lachte leise und schüttelte den Kopf, wobei ihr perfekt gestyltes,
glänzendes Haar schwungvoll über ihren Rücken glitt: “Quatsch, das liegt
alles nur am Kleid. Aber du siehst auch klasse aus.” Ich nahm ihr
Kompliment eigentlich nicht ernst, sagte aber höflich danke und lächelte
leicht. Wir erreichten den Aufenthaltsraum letztendlich, in dem schon
viel los war. Die Musik war meiner Meinung nach absoluter Schrott, aber
das behielt ich für mich. Geschmäcker waren ja bekanntlich verschieden.
Eine Gruppe von Leuten saß neben dem Flipperautomaten und unterhielt
sich lautstark, alle hatten eine Bierflasche in der Hand, schienen aber
schon ziemlich angeheitert zu sein. Kristin und Philippe saßen auf dem
Sofa und knutschten- was aussah, als würden sie sich gegenseitig
auffressen. Einfach eklig. Angewidert wandte ich den Blick ab. Danielle
ließ meinen Arm los und stürzte sich ins Getümmel. Ich stand alleine da,
immer noch in der Tür und wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Die
meisten in diesem Raum waren meine Klassenkameraden, aber dennoch fühlte
ich mich total fehl am Platz. Ich gehörte hier nicht hin, ich sollte im
Bett liegen und ein Buch lesen.
Aber
da ich jetzt schon mal hier war, konnte ich auch versuchen, mich zu
integrieren. Etwas zögernd ging ich also in den Raum und schnappte mir
eine Bierflasche. Eigentlich hasste ich Bier, es war mir viel zu bitter.
Aber etwas anderes gabs hier nicht, also musste ich mich damit
begnügen. Wie ein Schatten schlich ich an den Leuten vorbei und
versuchte Gesprächsfetzen aufzuschnappen, damit ich irgendwo einsteigen
konnte. Das gelang mir aber nicht und ich fing an mich zu fragen, ob ich
vielleicht vom Mars oder so kam, weil ich keine Ahnung hatte, wovon die
alle redeten. Etwas grimmig verzog ich mich in eine Ecke und
beobachtete die anderen stillschweigend. Tolle Party. Aber ich war
sowieso kein Fan von Parties, vielleicht genau aus diesem Grund.
Eine
Stunde und zwei Flaschen Bier später, saß ich auf der Couch, so weit
weg wie möglich von Kristin, und beobachtete wie Danielle und Marissa
mit drei Jungs Wahrheit oder Pflicht spielten. Aber es war nicht dieses
Kinderspiel, sondern etwas..nennen wir es erwachsener. Pflicht hatte
immer irgendwas mit Küssen oder ausziehen zu tun. Wahrheit mit
persönlicheren Fragen. Es war recht spannend, ihnen zuzuhören und
definitiv war es amüsant. Da kamen Dinge ans Licht, die man ihnen gar
nicht zutraute. Irgendwann kam Marissa auf die Idee, dass ich mitspielen
sollte. Im ersten Moment war ich ziemlich perplex darüber, aber auch
angeheitert genug, um mich darauf einzulassen. Also setzte ich mich zu
ihnen auf den Boden und spielte mit. Weil ich so feige war, entschied
ich mich anfangs immer für Wahrheit. Ich hatte kein Problem damit,
ehrlich auf Fragen zu antworten. Doch irgendwann wurde es den anderen
Leuten zu langweilig und Marissa forderte Pflicht von mir ein. Es gefiel
mir überhaupt nicht, aber ich wollte auch kein Spaßverderber sein, also
nickte ich.
“Alsooo,
dann darfst du jetzt...Marc küssen”, erklärte Marissa mit einem breiten
Grinsen. Marc war der zweite Junge der Clique. Mit ihm hatte ich noch
nie viel zu tun gehabt und er hielt sich meistens auch eher im
Hintergrund. Ich sah ihn an und bemerkte, dass er dem genauso abgeneigt,
wie ich es war. Auch wenn es wohl aus anderen Gründen war als bei mir.
Ich hatte noch nie jemanden geküsst, meine zwei Beziehungen waren über
Händchenhalten nicht hinausgegangen. Er hingegen musterte mich mit einer
Mischung aus Herablassung und Abscheu, die ich schon von allen kannte.
Aber es war ja nur ein kleiner Kuss, dachte ich, und ließ mich darauf
rein. Ich beugte mich nach vorne und er auch- und schüttete mir den
Inhalt seiner Bierflasche über das Oberteil. Einen Moment lang war ich
zur Salzsäule erstarrt und konnte mich nicht rühren, während ich Kristin
und ein paar andere Leute schon lachen hörte.
“Oh,
das tut mir aber leid”, sagte Marc und klang alles andere als
entschuldigend und seine Miene war äußerst schadenfroh. Lustigerweise
war mein erster Gedanke gar nicht die Demütigung, die ich hier erlebte.
Mein erster Gedanke war: Das ist Miras Top.
Ich
sprang auf und wollte Marc anschreien, doch dazu kam ich nicht. Als mir
bewusst wurde, dass alle lachten, wurde ich hochrot und musste Tränen
zurückhalten, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da waren. Obwohl
mir ein ganzer Schwall von Worten auf der Zunge lag, sagte ich nichts.
Ich machte kehrt und ging zügigen Schrittes auf die Toiletten zu.
“Oh,
der Wal ist nass. Gehört sich das nicht so für Meerestiere?”, hörte ich
von hinten irgendwo. Vor Wut fing meine Hand an zu zittern und ich
pfefferte die leere Bierflasche auf den Boden, wo sie in Splitter
zerbarst. Ich war wütend, gleichzeitig aber auch einfach nur gekränkt
und verletzt.
“Ihr
seid so verdammt scheiße!”, zischte ich und flüchtete aus dem Raum. Ich
knallte die Tür hinter mir zu und hörte ihr Gelächter. Es tat so weh.
Ein Außenseiter zu sein, das war nichts Neues für mich. Auch nicht das
gemobbt werden. Aber diese ganz absichtliche und schmerzhafte Demütigung
war zuviel. Es hinterließ einen tiefen Schnitt in meinem Inneren. Für
viele mag das übertrieben klingen, aber genauso hatte es sich angefühlt.
Ich kam nichtmal bis zu meinem Zimmer, als meine Beine mir den Dienst
versagten und ich auf dem Flur heulend in die Knie ging. Ich heulte so
sehr, dass ich keine Luft mehr bekam und mein Kopf hämmerte, ich heulte
so sehr, dass mein Körper zitterte wie Espenlaub. Doch der Schmerz in
meinem Inneren klang nicht ab, stattdessen fühlte ich mich überflüssig
und wertlos wie noch nie. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Mira mich
nur aus Mitleid so behandelte, wie sie es tat. Ich hatte nicht erkannt,
dass es ihr ernst mit unserer Freundschaft war.
Irgendwann
konnte ich aufhören, Tränen zu vergießen und rappelte mich immer noch
zitternd auf. Nun wieder etwas wütend zerrte ich mir das Shirt über den
Kopf und stapfte den restlichen Weg nur in Bh und Rock zum Zimmer.
Mira
schlief schon, als ich es erreichte und ich schlich mich leise in unser
Bad. Ich sah so zerstört aus, wie ich mich fühlte, der dumpfe Schmerz
wühlte immer noch in meinem Inneren. Ich schloss die Badezimmertür
hinter mir und zog mich aus, um zu duschen, wobei mein Kopf vor Schmerz
leer war und das war ziemlich gut.
Als
ich fertig war, zog ich mein Nachthemd über und putzte mir die Zähne.
Dabei fiel mein Blick auf die Schublade, in der wir Schere und Pflaster
aufbewahrten. Ein wahnwitziger Gedanke schoss mir in den Kopf. Ein
Gedanke, der erneut alles veränderte. Was, wenn ich meinen inneren
Schmerz mit anderem Schmerz überdeckte? Wie ferngesteuert zog ich die
Schere aus der Lade. Besah sie mir, drehte sie in den Händen. Überlegte.
Fuhr mit dem Finger über die Klinge. Führte sie mit einem mulmigen
Gefühl in der Bauchgegend zum Arm und starrte wieder einfach nur. Mein
Herz raste vor Aufregung so sehr, dass es mir fast aus der Brust sprang.
Was wäre wenn...? Ich stellte mir diese Frage und beschloss, mir auch
die Antwort drauf zu geben. Ich drückte an und zog die Klinge der Schere
durch die Haut. Brennender Schmerz machte sich sofort bemerkbar und ich
biss mir auf die Unterlippe. Es tat weh..aber es fühlte sich
gleichzeitig gut an. Es betäubte meinen inneren Schmerz. Es war der
Beginn einer Sucht..